Vertreter der Privatwirtschaft sind bestürzt. Sie verurteilen die Beschlüsse der Bundesratsausschüsse zugunsten einer kommunalen Sammlung von Wertstoffen aus privaten Haushalte – und warnen vor gravierenden Folgen.

Nach den Beschlüssen des Umwelt-, Wirtschafts- und Innenausschusses des Bundesrats reagierten Vertreter der Privatwirtschaft mehr oder weniger entsetzt. Der Wirtschaftsrat der CDU lehnt den Entschließungsantrag zum Wertstoffgesetz mehrerer grün-rot und rot-grün geführter Bundesländer entschieden ab. „Setzen sich diese Länder durch, wird vor aller Augen ein funktionierender Markt in eine Staatswirtschaft umgewandelt“, heißt es seitens des Wirtschaftsrats. „Es ist ein Irrweg, wenn die Bundesländer jetzt auf eine Verstaatlichung bisher privat erbrachter Leistungen im Bereich des Recyclings setzen. Sollte der Entschließungsantrag eine Mehrheit in der Länderkammer bekommen, besteht die Gefahr, dass das Gesetz in dieser Legislaturperiode nicht mehr verabschiedet wird“, warnt der Generalsekretär des Wirtschaftsrates, Wolfgang Steiger.

Ziel des Entschließungsantrages ist es, den Ländern und Kommunen die Organisationsverantwortung für die Sammlung von Wertstoffen aus privaten Haushalten zu übertragen. Zwar ist im Antrag die Möglichkeit zur Ausschreibung festgelegt. Doch das sei „reine Kosmetik und soll nur davon ablenken, dass aktuell privatwirtschaftlich erbrachte Leistungen bei der Wertstoffsammlung verstaatlicht werden“, kritisiert Steiger. Da die Kommunen keine Mehrwertsteuer zahlen, könnten sie – sofern sie sich für eine Ausschreibung entscheiden – selbst mitbieten und ihren Preisvorteil in Höhe der Mehrwertsteuer von 19 Prozent nutzen.

Kritik übt der Wirtschaftsrat auch daran, die privat finanzierte Zentrale Stelle durch eine staatliche Aufsichtsbehörde zu ersetzen. „Statt wettbewerbsfähige Strukturen und Arbeitsplätze zu schaffen, sollen Planstellen mit Steuergeld finanziert werden. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis diese Länder einen Steuererhöhungsantrag im Bundessrat vorlegen, um solche Strukturen zu finanzieren“, erklärt Steiger.

„Kosten werden drastisch ansteigen“

Der Grüne Punkt lehnt den Entschließungsantrag ebenfalls entschieden ab. „Eine Verstaatlichung des Recyclings wäre weder im Sinne der Umwelt noch der Bürger oder der Wirtschaft“, betont Michael Wiener, CEO der Duales System Holding. „Wenn die Bundesregierung diesen Vorstellungen folgt, wird es zu erheblich höheren Kosten für alle kommen und es wird weniger Recycling geben.“

Würde der Entschließunsantrag in der Praxis umgesetzt, hätten die kommunalen Unternehmen vor Ort ein Monopol auf die Wertstoffsammlung und bräuchten sich nicht mehr – wie heute üblich – dem Wettbewerb mit anderen Entsorgungsunternehmen zu stellen. „Dadurch werden die Kosten unweigerlich drastisch ansteigen“, warnt Wiener. „Denn die kommunalen Unternehmen unterlägen keinerlei Effizienzdruck mehr – sie hätten ja keine Konkurrenz.“

Als weiteren Kostentreiber sieht der Grüne Punkt die im Entschließungsantrag skizzierte zentrale Behörde: „Das wird eine Monsterbehörde, die das Geld von zigtausenden Herstellern einziehen und an die Kommunen verteilen, die Ausschreibungen organisieren und dazu zahlreiche Überwachungsaufgaben wahrnehmen muss.“ Einsparungen bei Bürokratiekosten, wie sie die Urheber des Entschließungsantrags versprechen, ließen sich so nicht realisieren: „Die Kosten für das System würden massiv ansteigen“, prognostiziert Wiener.

Konjunkturprogramm für kommunale Unternehmen

Diese Kosten müsste die Wirtschaft tragen, doch letztlich fließen sie in die Verbraucherpreise ein. „Das ist nicht bürgerfreundlich, sondern ein Konjunkturprogramm für die kommunalen Unternehmen zulasten der Verbraucher“, so Wiener. „Der vorliegende Entschließungsantrag konterkariert die Ziele des Wertstoffgesetzes, um einigen kommunalen Unternehmen zusätzliches Geschäft zu verschaffen.“ Demgegenüber seien die Kosten für das duale System dank Innovation und Wettbewerb in den letzten 15 Jahren um über 50 Prozent gesenkt worden.

Auch das Recycling würde nach Auffassung des Grünen Punktes Schaden nehmen: Das duale System habe für eine weitgehend standardisierte Einsammlung von Verpackungen gesorgt. Mit Gelber Tonne, Gelbem Sack und Glascontainern seien in den vergangenen 25 Jahren Standards gesetzt worden. So seien große Stoffströme entstanden, die sich sehr gut verwerten ließen. „Diese Standards werden verloren gehen, wenn die Kommunen die alleinige Hoheit bekommen“, ist Wiener überzeugt. Das Ergebnis wäre ein Flickenteppich von verschiedenen Sammelgemischen, für die kein hochwertiges und wirtschaftliches Recycling mehr möglich ist.“

„Krasse Fehlentwicklung“

Der Stahlrecyclingverband BDSV warnt den Gesetzgeber davor, im Zuge des geplanten Wertstoffgesetzes funktionierende Recyclingstrukturen in Deutschland zu zerstören. Hauptgeschäftsführer Rainer Cosson nannte die Pläne der Mehrheit der Bundesländer eine krasse Fehlentwicklung aus einzelnen Partikularinteressen heraus. „Für uns ist schockierend zu erfahren, dass das Prinzip der Produktverantwortung beim Recycling in der Politik offenbar nur noch eine Minderheitsposition einnimmt“, so Cosson. „Es wäre fahrlässig, ein sehr günstiges und funktionierendes System zu zerschlagen – nur, weil einige Städte und Gemeinden sich lästiger Wettbewerber entledigen wollen.“

Vergleichsweise gemäßigt äußert sich der private Entsorgerverband BDE. Er erklärte, er habe die Entscheidungen des Umwelt, Wirtschafts- und Innenausschusses mit Bedauern zur Kenntnis genommen. Die aktuellen Diskussionen rund um das Wertstoffgesetz würden sich nach wie vor mehr um Zuständigkeiten als um Recyclingziele drehen, kritisiert der Verband. Sie stünden sinnbildlich für den Scheideweg, vor dem die Kreislaufwirtschaft steht.

„Wollen wir Deutschlands führende Rolle beim Recycling verteidigen und ausbauen, brauchen diejenigen, die über 90 Prozent der Anlagenstruktur für hochwertiges Recycling verfügen, klare und verlässliche Rahmenbedingungen. Was sie nicht brauchen, ist eine Politik, die etablierte Wertschöpfungsketten durchtrennt, Planungs- und Investitionssicherheit erschwert“, erklärt BDE-Präsident Peter Kurth.

„Statt sich um die Verstaatlichung der Verpackungsentsorgung zu kümmern, sollten vielmehr die Voraussetzungen für qualitativ hochwertiges Recycling geschaffen werden. Dazu zählt eine Weiterentwicklung der Absatzmärkte für Rezyklate und feste Rahmenbedingungen, die notwendige Investitionen in die Anlagentechnik ermöglichen“, so Kurth. „Der Erfolg eines Wertstoffgesetzes wird sich daran bemessen, ob es mehr und besseres Recycling ermöglicht. Von daher ist es auch erforderlich, dass die Recyclingwirtschaft, die für die notwendigen Investitionen verantwortlich ist, in die Organisation der Zentralen Stelle entscheidungsrelevant eingebunden wird.“

Quelle: www.320grad.de