Von Treibhauseffekt bis Unersetzlichkeitssyndrom:

Bei der Nachfolgeplanung im Familienunternehmen treten immer wieder dieselben Probleme auf …

Ein Scheitern des Generationswechsels neben der fehlenden unternehmerischen Qualifikation des Nachfolgers ist vor allem auf folgende zehn typische Problemstellungen zurückzuführen:

1.   Die Nichtbeschäftigung mit der Unternehmensnachfolge
In vielen Fällen fehlt es vollständig an einem Nachfolgekonzept. Aus welchen Gründen auch immer, sei es, weil sich der Unternehmer noch zu jung und fit fühlt, sei es, weil ihm die Beschäftigung mit dem eigenen Ableben psychologisch Probleme bereitet, blendet der Senior gedanklich die Unternehmensnachfolge konsequent aus

2.   Die Furcht des Familienunternehmers vor der Kommunikation in der Familie
Nicht selten hat der Familienunternehmer zwar ein Nachfolgekonzept im Kopf oder sogar schriftlich niedergelegt, er kommuniziert dies aber nicht in der Familie. Seine Kinder bleiben vielmehr – obwohl sie schon erwachsen und verständig sind – im Unklaren darüber, wer die Nachfolge antreten und was konkret auf Geschäftsführungs- und Gesellschafterebene geschehen soll.

3.   Das Unersetzlichkeitssyndrom
Mit zunehmendem Alter hält sich der Familienunternehmer mehr und mehr für unverzichtbar; immer deutlicher stellt er fest, dass seine potenziellen Nachfolger noch nicht so brillant sind wie er selbst. Dabei vergisst er, dass unabhängig davon, wie viel Zeit seine Kinder hatten, um eigene Erfahrungen zu sammeln, er ihnen gegenüber darin immer einige Jahrzehnte voraus ist.

4.   Die Fehleinschätzung der eigenen Kinder
Kaum jemand ist in der Lage, sein eigenes Fleisch und Blut im Hinblick auf dessen unternehmerische Fähigkeiten zutreffend einzuschätzen. Es ist auch nicht etwa so, dass der fürsorgliche Un­ternehmer seine Kinder stets für übertrieben befähigt hält, in vielen Fällen ist gerade das Gegenteil der Fall. Schon aus diesem Grund sollte man zumindest in die Entscheidung, ob und welche – und auch wann – Kinder auf Geschäfts­führungsebene die Nachfolge antreten sollen, fremde Dritte einbinden.

5.   Der Treibhauseffekt
Vielfach glaubt der Familienunternehmer, er könne seine Nachfolger am besten im eigenen Unternehmen ausbilden und sie dort dann auch durch die Hierarchien hochziehen. Dies führt dazu, dass die (potenziellen) Unternehmensnachfolger kaum die unternehmerische Realität zu spüren bekommen, sie werden vielmehr unternehmerisch in einem Treibhausklima erzogen. Jeder Mitarbeiter der Firma wird im Junior oder der Juniorin bereits den künftigen Chef sehen. Eine Konfrontation mit der Lebenswirklichkeit und damit eine sinnvolle Vorbereitung auf die künftige Führungsposition ist daher unmöglich.

Der potenzielle Unternehmensnachfolger sollte sich deshalb seine Sporen stets außerhalb des eigenen Familienunternehmens verdienen. Selbstverständlich kann dies nicht immer dergestalt erfolgen, dass er sich in die oberste Führungsposition eines Fremd­unternehmens hineinarbeitet. Zumindest aber sollte sich der Nachfolger im Rahmen einer Tätigkeit in Führungspositionen von Tochtergesellschaften anderer Unternehmen oder bei projektverantwortlichen Tätigkeiten als Assistent der Geschäftsführung in anderen Unternehmen bewährt haben; geeignet sind auch Tätigkeiten in Unternehmensberatungsgesellschaften.

Gelangt der so ausgebildete Nachfolger dann nach drei bis fünf Jahren direkt in die Geschäftsführung des eigenen Unternehmens, so weiß er in der Regel, wie er eine Vielzahl von Fallstricken, Fettnäpfchen und klassischen Anfän­gerfehlern vermeiden kann.

6.   Der Gleichbehandlungsfehler
Es ist menschlich, dass Eltern ihre Kinder gerecht behandeln wollen. Vielfach glauben sie aber, nur eine formal gleiche Behandlung sei eine gerechte Behandlung. Dies wiederum führt dazu, dass in Familienunternehmen Strukturen entstehen, die eine schnelle und ein­deutige Entscheidung im unternehmerischen Bereich verhindern oder – im besseren Fall – verzögern.

Wenn der Unternehmer in diesem Zusammenhang den (aus dem Unternehmen) weichenden oder mit geringeren Anteilen be­dachten Erben aus seinem Privatvermögen einen (gewissen) Ausgleich ver­schafft, dabei aber in „Mark und Pfennig“ gerechnet weniger gibt, so ist dies wie bereits gesagt ebenso gerecht. Wichtig ist jedoch, dass der Unternehmer sein Verhalten beziehungsweise seine Absichten kommuniziert und der Familie seine Motive offen erklärt.

Es gibt eine Reihe von Familienunter­nehmern, welche glauben, nur die sogenannte Kronprinzenregelung, das heißt die Übertragung sämtlicher Gesellschaftsanteile und die Übertragung der unternehmerischen Führung auf nur einen Unternehmensnachfolger, sei sinnvoll. Doch auch Kronprinzenlösungen scheitern nicht selten. Sei es, dass der Kronprinz sich im Nachhinein doch nicht als unternehmerisch so begabt wie angenommen herausstellt, sei es, dass die Geschwister innerlich mit der Regelung nicht einverstanden sind, sei es, dass ein dann ausbrechender Streit innerhalb der Familie auf das Unternehmen durchschlägt, oder sei es –, was leider oft übersehen wird –, dass der ursprüngliche Kronprinz selbst in der Folgegeneration keine geeigneten Nachfolger vorweisen kann und diese das Familienunternehmen dann in der nächsten Generation gefährden oder – im besten Fall – verkaufen. Die Kronprinzenlösung führt nämlich – und dies gilt es stets mit zu bedenken – dazu, dass die Abkömmlinge der weichenden Erben in der nächsten Generation auch dann nicht mehr als Nachfolger infrage kommen, wenn sie unternehmerisch begabt sind.

Die Erfahrung zeigt, dass es insoweit kein richtiges oder falsches Modell gibt. Sowohl die Berufung mehrerer Kinder zu Nachfolgern als auch die Konzentration auf einen Kronprinzen hat Vor- und Nachteile. In keinem Fall darf ein verantwortungsbewusster Unternehmer die Regelung seiner Unter­nehmensnachfolge mit dem Argument auf die lange Bank schieben, er wisse noch nicht, welches seiner Kinder tatsächlich als der begabteste Nachfolger seine Stelle einnehmen werde

7.   Die mangelnde Individualität der Regelung
Jedes Familienunternehmen ist anders, und deshalb muss bei jedem Familienunternehmen auch die Nachfolge­konzeption individuell ausfallen. Viele Familienunternehmer glauben jedoch, es gäbe bei der Nachfolge Best-Practice-Beispiele, die man nur nachahmen müsse. Richtig ist vielmehr, dass der Zuschnitt der Regelung auf die indivi­duellen Verhältnisse des Familienunternehmens und der Unternehmerfamilie ein wichtiges Kriterium für das Gelingen der Unternehmensnachfolge ist.

8.   Die Überbetonung des Steuerrechts
Häufig wird steuerlichen Fragestel­lungen eine zu hohe Priorität eingeräumt. Diskutiert werden steuerlich aus­geklügelte Anteilsübertragungen, ausgefeilte Stiftungskonzepte und sogar Wohnsitzwechsel zur Senkung der Erbschaftsteuerbelastung.

Eine solche steu­erliche Optimierung steht richtigerweise immer erst am Ende der gesamten Nachfolgeplanung, niemals darf sie der alleinige und bestimmende Grund der vorgesehenen Gestaltung sein. Die Nachfolgeplanung ist zu komplex und zu wichtig, als dass sie sich auf steuerliche Fragen reduzieren ließe. Mindestens ebenso wichtig, meist sogar noch wichtiger sind die menschlichen und psy­chologischen, aber auch die betriebswirtschaftlichen Fragestellungen.

9.   Die Organisationsfrage
So manche Unternehmensnachfolge scheitert daran, weil sie bezüglich der Organisation des Betriebs ausschließlich das Verhältnis zwischen Senior und Nachfolger im Auge hatte. Dabei wird vernachlässigt, dass das Unternehmen neben und unter dem Patriarchen eine Vielzahl von Führungspersönlichkeiten hat, mit welchen der Nachfolger ar­beiten muss und umgekehrt.

Macht man sich klar, dass der Führungsstil des Familienunternehmers selbst bei Unternehmen mit Milliarden Umsatzgröße in der Regel sehr patriarchalisch ist und dass aber der Nachfolger schon aufgrund seines Studiums vielfach in anderen Führungsmodellen denkt, dann gehört im Rahmen einer Unternehmensnachfolge die gesamte Unternehmen­sorganisation auf den Prüfstand. Gegebenenfalls müssen dann zusammen mit dem Senior auch der langjährige Prokurist und weitere Führungskräfte ihren Stuhl räumen, falls der Nachfolger eine echte Chance erhalten soll.

10.  Die Unbekannten
Last, but not least scheitern Unternehmensnachfolgen nicht selten an Sonderkonstellationen. So etwa in einem kürzlich bei uns aufgetretenen Fall, wo vom Senior auf eigene Faust ein Testamentsvollstrecker eingesetzt wurde, ohne dass dies in der Familie besprochen worden war. Dieser Testamentsvollstrecker, der bisher als kleinlauter Berater agierte, sah nun seine Stunde gekommen und nutzte die Machtfülle seines Amtes voll aus.

Oder aber es tauchen nichteheliche Kinder auf, die plötzlich ihr Pflichtteilsrecht geltend machen. Vor einigen Jahren spielte in unserer Praxis eine der Unternehmerfamilie unbekannte Wiener Balletttänzerin eine un­rühmliche Rolle, welche ein handgeschriebenes Testament des verstorbenen Familienunternehmers zu ihren Gunsten in den Händen hielt.

Oder aber das Testament ist nicht mit dem Gesellschaftsvertrag abgestimmt, sodass die im Testament vorgesehenen Regelungen gesellschaftsvertraglich nicht umgesetzt werden können. Mit der Fortsetzung dieser Aufzählung ließe sich ein eigenes Buch füllen.