Ein neues Papier zeigt auf, wie das Wertstoffgesetz aus Sicht von vier Bundesländern ausgestaltet sein sollte. Die Länder nehmen dabei Stellung zu den kritischen Punkten Sammlung und Sortierung. Und sie suchen nach einer Verwendung für die dualen Systeme.

Das Papier stammt von den vier Bundesländern Baden-Württemberg, Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Schleswig Holstein. Gegenstand sind Detailüberlegungen, wie das geplante Wertstoffgesetz aus Sicht der vier Länder ausgestaltet werden könnte. Wie die Autoren betonen, erhebe das Papier nicht den Anspruch, Lösungsvorschläge für alle Fragen „dieser hochkomplexen Materie“ zu bieten. So bleibe in vielen Bereichen noch Diskussionsbedarf um die bessere Lösung.

Viele der Detailüberlegungen gehen allerdings schon relativ weit. Ausgangspunkt ist dabei der Beschluss des Bundesrats vom 29. Januar dieses Jahres. Damals hat der Bundesrat einem Entschließungsantrag zugestimmt, der unter anderem folgende zentrale Punkte beinhaltet:

  • Erhöhung der Recyclingmengen und -qualitäten
  • Organisationshoheit der Kommunen für die Erfassung von Wertstoffen aus privaten Haushalten
  • Zuständigkeit der privaten Entsorgungswirtschaft für die Sortierung und Verwertung
  • Gesonderte Entsorgungsregelung für PPK im Rahmen einer Vereinbarung zwischen öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträgern (örE) und Papierherstellern, wonach die örE für die Sammlung und Verwertung (und Vermarktung) zuständig sind. Diese Regelung gilt nur für PPK, nicht für PPK-Verbunde
  • Möglichst einfacher und unbürokratischer Vollzug durch eine Zentrale Stelle

Welche Regeln sollen nach dem neuen Papier für die Erfassung gelten?

Die Kommunen sollen alle Wertstoffe aus Metall und Kunststoff gemeinsam und einheitlich erfassen. PPK soll gesondert erfasst werden, unabhängig davon, ob es Verpackungen sind oder nicht. Glasverpackungen werden wie bisher ebenfalls gesondert erfasst. Der Stoffstrom Haushaltsglas (z.B. Trinkgläser oder Glasdeckel von Bratpfannen) verbleibt im Restmüll, weil diese Stoffe einen wichtigen Beitrag zur Schlackenführung bei der Verbrennung leisten, wie es in dem Papier heißt.

Was gilt für die Ausschreibung der Erfassung?

Die Erfassung der Wertstoffe wird grundsätzlich von den Kommunen nach VOL ausgeschrieben. Die Kommune hat aber auch die Möglichkeit, die Erfassung selbst – ohne Drittvergabe – zu übernehmen (Inhouse-Vergabe).  Die Kommune erhält in jedem Fall für LVP und Glas eine pauschale Standard-Kosten-Vergütung von der Zentralen Stelle. Die Kommune hat damit die Organisationshoheit und kann beispielweise über ein Hol- oder Bringsystem entscheiden.

Müssen die Kommunen eine bestimmte Erfassungsquote erfüllen?

Ja. Vorgesehen ist eine gesetzliche Erfassungsquote, die gemäß Arbeitsentwurf des Bundesumweltministeriums bei 25 Kilogramm pro Einwohner und Jahr liegt. Unterschreitet eine Kommune diese Mengenvorgabe, mindert sich die Standardkostenvergütung entsprechend. „Die Bürger haben also ihre schlechte Sammelleistung mit den ergänzenden Müllgebühren zu bezahlen“, heißt es dazu im Papier der Bundesländer. Bei guten Sammelleistungen können sie sich auch einen Bonus auf die Standardkostenvergütung vorstellen. Damit entstünde ein gewisser Anreiz bei den Bürgern, ihre Müllgebühren zu senken.

Wer übernimmt die Sortierung?

Das ist Aufgabe der privaten Entsorgungswirtschaft. Die erfassten Wertstoffe werden der Wirtschaft kostenlos übergeben. Eine Ausnahme bilden PPK und Restmüll. Die Zentrale Stelle soll die Sortierung mittelstandsfreundlich ausschreiben. Die sortierten Fraktionen werden dann von der Zentralen Stelle im Markt angeboten und zur Verwertung verkauft.

Müssen die Hersteller noch eine Lizenzabgabe bezahlen?

Ja. Nach den Vorstellungen der vier Bundesländer ermittelt die Zentrale Stelle die Gesamtkosten der Erfassung, Sortierung und Verwertung und stellt diese Gesamtkosten den Erlösen entgegen. Die Gesamtkosten bilden dann die Grundlage für die Berechnung einer öffentlich-rechtlichen Lizenzabgabe, die die Hersteller an die Zentrale Stelle zu entrichten haben. Die vier Bundesländer sehen in diesem Modell vor allem den Vorteil der Kostentransparenz, die sie im bisherigen System vermissen. Weder die Kommunen im Bereich der Erfassung noch de Zentrale Stelle dürfen auf Gewinnerzielung ausgerichtet sein.

Was wird in diesem Modell aus dem Anreiz für die Hersteller, die Recyclingfähigkeit der Produkte zu verbessern?

Die bleibt nach Ansicht der vier Bundesländer erhalten. Die gewünschten Rückkoppelungseffekte für die Recyclingfähigkeit der Produkte oder den optimierten Wiedereinsatz könnten wie bisher ohne Einschränkungen wahrgenommen werden, heißt es in dem Papier. Zusätzlich könnten Pflichten formuliert und Anreize beispielweise über die Höhe der Lizenzabgaben gesetzt werden.

Was kann die Wirtschaft tun, wenn die Qualität der gesammelten Wertstoffe nicht stimmt?

In diesem Fall haben die Entsorger Anspruch auf Sortieranalysen durch unabhängige Sachverständige. Ob regelmäßig, jährlich oder anlassbezogen lassen die vier Bundesländer offen. Sollten die Sortieranalysen das Unterschreiten bestimmter Qualitätsziele belegen, könnten für die örE entsprechende Abzüge bei der Standardkostenvergütung erfolgen. Die Entsorger wiederum könnten die Mengen, auf welche die Recyclingquoten zu erbringen sind, entsprechend nach unten korrigieren.

Wie berechnen sich die Verwertungsquoten?

Die Verwertungsquoten sind nach den von den örE erfassten und tatsächlich übergegeben Massen berechnet. Die Befürchtung der Hersteller, für schlechte Erfassungsquoten und -qualitäten geradestehen zu müssen, wäre damit obsolet, heißt es in dem Papier.

Sind die Verwertungsquoten gefährdet, weil die Kommunen ihre Müllverbrennungsanlagen mit den erfassten Wertstoffen füllen werden?

Zumindest nicht aus Sicht der vier Bundesländer. Denn zum einen sei eine Unterauslastung der MVA in weiter Ferne. Und zum anderen wäre es kaum verständlich, dass die örE eine kostenverursachende Müllverbrennung der kostenfreien Übergabe der Wertstoffe an die Privatwirtschaft vorziehen werden.

Ist eine Erweiterung der Produktverantwortung auf andere Wertstoffe vorgesehen?

Grundsätzlich ja. Denkbar ist aus Sicht der vier Bundesländer, dass auch sperrmülltaugliche große Haushaltsgegenstände der Produktverantwortung unterstellt werden – ohne dass dabei in „tonnengängig“ und „nicht tonnengängig“ differenziert wird. Damit wären alle Haushaltsgegenstände aus Metall, Kunststoff und Holz in der Produktverantwortung, was eine schwierige Differenzierung von Kleinmöbel zu Großmöbel, Holz zu Kunststoff und Mischfraktionen prinzipiell überflüssig mache.

Bleibt es bei der Produktverantwortung  für haushaltsähnliche Verpackungen im gewerblichen Bereich?

Ja. Nach der Verpackungsverordnung gehören neben den Haushaltungen auch vergleichbare Anfallstellen zum Definitionsbereich des privaten Endverbrauchers. Ein Verzicht auf die Lizenzierung für haushaltsähnliche Verpackungen erscheine kaum möglich, heißt es in dem Papier. Eine Differenzierung von Haushalts- und Kantinen-Joghurtbechern wäre nicht überwachbar.

Wird es weiterhin Branchenlösungen geben?

Voraussichtlich ja. Der Hersteller oder Vertreiber müsste dann gegenüber der Zentralen Stelle nachweisen, dass er für die gewerblichen Anfallstellen ein eigenes Erfassungs- und Verwertungssystem eingerichtet hat. Dann wäre er von der Pflicht zur Lizenzierung bei der Zentralen Stelle befreit und von der kommunalen Erfassung ausgenommen.

Welche Aufgaben soll die bundesweite Zentrale Stelle übernehmen?

Alle Aufgaben, die bisher die dualen Systeme organisieren mussten. So unter anderem die Ausschreibung von Sortierung und Verwertung, die Erstellung des Mengenstromnachweises sowie die Berechnung der Quote und der Nachweis über die Einhaltung der Quotenerfüllung.

Wie soll die Zentrale Stelle besetzt werden?

Mit Vertretern der Länder, des Bundes, der Kommunen, der privaten Entsorgungswirtschaft, sowie der Hersteller und der Wissenschaft.

Würden auch Getränkeverpackungen unter das Wertstoffgesetz fallen?

Nicht unbedingt. Die vier Bundesländer können sich vorstellen, dass dieser Bereich in einer eigenen Verordnung geregelt wird. Die Verordnung könnte dann mit einem wesentlich geringeren Aufwand angepasst werden als ein Gesetz. Dies sei vor dem Hintergrund von Bedeutung, dass der Bereich Getränkeverpackungen mit Blick auf Ökobilanzen, Marktentwicklungen und Neuentwicklungen besonders veränderungsintensiv ist.

Ist eine Kompromisslösung für den Bereich Erfassung denkbar?

Schwer zu sagen. Die vier Bundesländer halten es für möglich, dass die private Entsorgungswirtschaft eine eventuell zeitlich befristete Bestandsgarantie einfordert, innerhalb derer die private Sammlung nicht eingeschränkt werden kann. Das lehnen die Kommunen aber ab. „Ein etwaiger Kompromiss erscheint an dieser Stelle schwierig, könnte aber Teil eines Gesamtkompromisses sein“, meinen die vier Bundesländer.

Würden die gewerblichen Sammlungen von Metallschrott zurückgedrängt?

Nein, glauben die Bundesländer. Die Kommunen hätten kein Interesse, gewerbliche Sammlungen einzuschränken. Sie müssten selbst die (Metall-) Wertstoffe an die private Entsorgungswirtschaft übergeben. „Nachdem die Erfassungsleistung der Kommunen per Standardkosten erstattet werden, dürfte das Merkmal der ‚überwiegenden Interessen‘ bei den örE ohnehin nur schwer begründbar sein“, heißt es in dem Papier. Gefahr drohe aber möglicherweise im bestehenden System von den dualen Systemen. Beim Modell des Bundesumweltministeriums seien die dualen Systeme aufgrund der anspruchsvollen Verwertungsquoten von 90 beziehungsweise 95 Prozent bei Metallen auf Lizenzmengen geradezu gezwungen, sämtliche Metalle aus der Sammlung im eigenen System zu halten, um diese Quote zu erreichen. Die vier Bundesländer verweisen auf Paragraf 17 Abs. 3 Satz 1 KrWG. Danach können gewerbliche Sammlungen auch zugunsten der dualen Systeme verboten werden, wenn deren Funktionsfähigkeit bedroht ist.

Gibt es im Modell der vier Bundesländer eine Alternative zur Abschaffung der dualen Systeme?

Inzwischen gibt es die, ja. Sollte die Wirtschaft an den dualen Systemen festhalten wollen, können sich die vier Bundesländer vorstellen, dass die dualen Systeme wie bisher für Lizenzierung und Ausschreibung von Sortierung und Verwertung zuständig sind. Für die Zentrale Stelle würde das eine wesentliche Aufgabenreduzierung bedeuten. Die Lizenzentgelte wären dann wieder zivilrechtlicher Natur und der Finanzstrom von dualen Systemen in Form der Standardkostenvergütung wäre entsprechend den bisherigen Nebenentgelten möglich. Allerdings stelle sich dann die Frage nach „dem verbleibenden Raum eines ernsthaften Wettbewerbs unter verschiedenen dualen Systemen“, heißt es in dem Papier. Eine unabdingbare Bedingung für das Ländermodell sei die Abschaffung der dualen Systeme nicht, sondern „lediglich eine ökonomisch naheliegende Überlegung“.

(Quelle: www.320grad.de)