Zu komplex, unnötige Verschärfung und zu restriktiv für RC-Baustoffe: Die Kritik an der Mantelverordnung ist vielschichtig. Beim BGRB-Symposium wurde daher der Vorschlag für eine Baustoff-Verordnung laut.

Die Kritik an der Mantelverordnung hält unvermindert an. Das wurde erneut Ende September deutlich, als die Bundesgütegemeinschaft Recycling-Baustoffe (BGRB) das BGRB-Baustoff-Recycling-Symposium 2017 in Potsdam veranstaltete.

So betonte BGRB-Vorsitzender Wolfgang Türlings, dass die mehr als 30 Jahre andauernden Praxiserfahrungen zeigen, dass der Einbau gütegesicherter Ersatzbaustoffe in technischen Bauwerken oder in Verfüllungen zu keinerlei Umwelt-, Boden- oder Grundwasserschäden geführt habe. Von daher bestehe kein Handlungsbedarf für die mit der Mantelverordnung vorgenommene Verschärfung umweltrechtlicher Vorsorgeregelungen. Dies verringere letztlich nur den Einsatz von Recycling-Baustoffen und führe zu mehr Deponierung und zu weniger Vermeidung der Verwendung von Primärbaustoffen.

Moratorium wegen fehlender Deponiekapazitäten?

Nach Auffassung von Professor Uwe Görisch, Inhaber des gleichnamigen Ingenieurbüros für Abfallwirtschaft in Karlsruhe, sind die in der Mantelverordnung enthaltenen Regelungen zu komplex: Der Verordnungsentwurf enthalte 18 Ersatzbaustoff-Klassen, 43 Materialwerte mit 15 Fußnotenvarianten, 47 Parametern, bis zu 26 Einbauweisen mit 251 Fußnotenvarianten und 6 Eigenschaften der Grundwasserdeckschicht, zählte Görisch auf. Allein wegen dieser Komplexität sei der verstärkte Rückgriff auf die Primärbaustoffe Sand, Kies und Schotter zu befürchten.

Görisch verwies auf Schätzungen der Bauwirtschaftsverbände, wonach zwischen 50 und 70 Millionen Tonnen jährlich zusätzlich deponiert werden müssten. Das würde insbesondere Böden und Bauschuttmaterial betreffen. Wegen der nicht vorhandenen Deponiekapazitäten müsste nach Inkrafttreten der Mantelverordnung ein Moratorium vereinbart werden, um die Mantelverordnung wieder außer Kraft zu setzen, meinte Görisch. Vergleichbar mit der Ende 2016 erlebten HBCD-Problematik bei Polystyrol-Abfällen.

Unklare Verantwortlichkeit

BGRB-Geschäftsführer Michael Heide stellte in seinem Vortrag die schwierige Anwendbarkeit der Mantelverordnung, unter anderem am Beispiel des beim Einbau von Ersatzbaustoffen einzuhaltenden Abstandes zum höchst zu erwartenden Grundwasserstand, heraus. Es sei mehr als fraglich, ob die grundwasserfreie Sickerstrecke allerorts anhand von Messdatenreihen oder mit Hilfe von neuen Messungen des Grundwasserstandes eindeutig ermittelt werden könne. Auch die diesbezügliche Verantwortlichkeit (Bauherr, Planer oder auch Verwender) sei unklar.

Peter Dihlmann vom baden-württembergischen Umweltministerium kritisierte obendrein, dass der Mantelverordnung das Konzept der Geringfügigkeitsschwellenwerte (GFS-Werte) zugrunde liegt. Demnach müsse Grundwasser in Deutschland immer und überall, auch unter einem Güterbahnhof, trinkbar sein. Diese Forderung stehe so aber nicht im Wasserhaushaltsgesetz. Im Vergleich zu anderen Rechtsgebieten, wie etwa der Luftreinhaltung, schieße die Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Wasser mit ihren GFS-Werten über das Ziel hinaus und sei mit den restriktiven Regelungen für RC-Baustoffe aus Bauschutt auf der völlig falschen Fährte, erklärte Dihlmann.

Klett regt Bauabfall-Verordnung an

Ähnlich argumentiert Professor Wolfgang Klett von der Kölner Kanzlei Köhler & Klett Rechtsanwälte. Nach seiner Einschätzung sind die am vorsorgenden Grundwasserschutz orientierten Geringfügigkeitsschwellenwerte für die Ableitung von Prüfwerten der Mantelverordnung rechtlich bedenklich seien. Nicht die wasserrechtliche Vorsorge, sondern die Gefahrenabwehr nach Abfall- und Bodenschutzrecht seien die auf den Ersatzbaustoffeinbau anzuwendenden Schutzvorschriften.

Klett plädierte außerdem für einen einklagbaren Vorrang der Verwendung gütegeprüfter Ersatzbaustoffe vor Primärbaustoffen, sofern diese eine gleichwertige Eignung haben. Als Ergänzung zu Recyclingquoten sollte die gütegesicherte Herstellung und Vermarktung gütegeprüfter Ersatzbaustoffe maßgebend sein. Weiterhin sollte eine altlastenrechtliche Verantwortlichkeit des Verwenders gütegeprüfter Ersatzbaustoffe ausgeschlossen sein, wenn zum Zeitpunkt der Verwendung nachweislich die gesetzlichen Anforderungen erfüllt wurden.

Klett regte an, die Denkpause zwischen den Legislaturperioden zu nutzen, um Ideen für eine umfassende Regelung des Stoffstroms mineralischer Abfälle in einer „Bauabfall-Verordnung“ zu sammeln. Es gehe darum, den Stoffstrom mineralischer Abfälle umfassend zu regeln, betonte er. Das beginne beim Erfassen, Planen, Bewerten und Dokumentieren des Abfallanfalls und gehe über die Getrennthaltung, die qualitätsgesicherte Aufbereitung, die Güteüberwachung und die Verwendung als Ersatzbaustoff mit Abfall- oder Abfallendeeigenschaft.

Quelle: www.320grad.de