Immer mehr Bauabfälle: Deponien am Limit
Ein neuer Entsorgungsnotstand zeichnet sich ab. Es wird immer schwieriger Bauabfälle in größeren Mengen loszuwerden. Die Zahl der Deponien sinkt. Gesetzesvorhaben wie die neue Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz könnten die Situation noch verschärfen. Das sind die Pläne.
Wo gebaut und saniert wird, fällt viel Bau- und Abbruchabfall an. Bauschutt, Straßenaufbruch, Baustellenabfälle sowie Boden und Steine stellen mit einem Anteil von rund 60 Prozent am Gesamtaufkommen die größte Abfallfraktion in Deutschland dar – Tendenz steigend, denn die Baukonjunktur brummt. Im Gegenzug dazu sinkt jedoch die Zahl der Mülldeponien. Zahlen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass im Jahr 2016 nur noch 1.108 Deponien in Deutschland in Betrieb waren. Das sind fast 900 weniger als zehn Jahre zuvor. Außerdem werden bis zum Jahr 2025 noch mehrere hundert Deponien das Ende ihrer vorgesehenen Betriebsdauer erreichen. Die bislang neu geplanten, können den Trend nicht aufhalten und so wird Deponieraum immer knapper.
Verschärfen könnte die Lage, dass der Bundesrat im vergangenen Jahr die geplante neue Mantelverordnung (MantelV) für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz nicht verabschieden wollte. Durch die Neuaufteilung der Zuständigkeiten fürs Bauen innerhalb der Ministerien in der aktuellen Bundesregierung ist die MantelV erst einmal wieder in den Arbeitskreisen verschwunden. Die Verordnung könnte aus Sicht des Zentralverbands des Deutschen Baugewerbes (ZDB) in ihrer letzten Fassung zwar dazu führen, dass künftig ein zusätzliches Müllaufkommen entsteht. Dennoch muss eine Lösung für die künftige Entsorgung von Bau- und Abbruchabfällen dringend gefunden werden. Sie ist Teil der MantelV. Gleichzeitig entsteht hier ein Konflikt zwischen einer möglichst hohen Recyclingquote und strengeren Umweltauflagen.
Befürchtet wird nun bereits ein neuer Entsorgungsengpass wie im vergangenen Jahr bei den HBCD-haltigen Styropor-Dämmstoffen. Er könnte sich bald auch bei den mineralischen Bau- und Abbruchabfällen wiederholen – und zwar in einem viel stärkeren Ausmaß.
Künftig fallen noch mehr Baustellenabfälle an
Immerhin: Jährlich kommen über 200 Millionen Tonnen Bauabfälle zusammen, die einer Verwertung oder einer Beseitigung zugeführt werden müssen. Da die Kapazitäten auf den Deponien jedoch so knapp sind, werden die Bauabfälle teilweise ins Ausland transportiert.
Der Entwurf der Mantelverordnung stammt noch vom Bundesumweltministerium unter der Leitung von Barbara Hendricks. Es ging bislang davon aus, dass die Menge der jährlich zu entsorgenden Bau- und Abbruchabfälle nach dem Inkrafttreten der MantelV künftig um rund 13 Millionen Tonnen steigt, da mehr Bauabfälle als zu umweltschädlich für eine Wiederverwendung eingestuft werden. Die Kritiker der Verordnung sprechen dagegen sogar von 50 bis 70 Millionen Tonnen zusätzlicher Abfälle, die dann deponiert werden müssten.
Mantelverordnung für Ersatzbaustoffe und Bodenschutz
Die Mantelverordnung (MantelV) fasst verschiedene Verordnungen zusammen und schafft eine bundeseinheitliche Regelung für den Umgang mit mineralischen Bau- und Abbruchabfällen einschließlich Böden und den Einsatz von Recycling-Baustoffen. Sie besteht aus mehreren Teilen. Den Kern bilden die Einführung einer Ersatzbaustoffverordnung und die Neufassung der Bundes-Bodenschutz- und Altlastenverordnung. Im Zusammenhang damit werden auch die Deponieverordnung und die Gewerbeabfallverordnung geändert.
Damit entsteht ein neues Regelwerk, das dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechen soll. Damit wird es Anpassungen vor allem bei den ökologischen Qualitätsanforderungen und den Einbaumöglichkeiten für Ersatzbaustoffe geben, die erstmals bundeseinheitlich geregelt werden. Es gibt also tendenziell strengere Umweltauflagen und der Einsatz bzw. die Wiederverwendung von bereits einmal eingesetzten Baustoffen wird stärker reglementiert.
Der ZDB geht davon aus, dass es noch einige Zeit dauern könnte, bis die Mantelverordnung verabschiedungsreif ist. Zwar bräuchte man dringend eine bundesweit einheitliche Lösung z.B. für die einzuhaltenden Grenzwerte für Böden. Aber dennoch begrüßt das Baugewerbe die Verschiebung. Denn die in der aktuell im Bundesrat liegenden Fassung der Mantelverordnung enthaltenden Grenzwerte für Böden führen zu extrem großen Mengen an zu deponierender Böden, die wiederum einen Deponienotstand nach sich ziehen.
Umweltbundesamt: MantelV „ein guter Kompromiss“
Sowohl der ZDB, die Abbruch- und Recyclingbranche, die Entsorgungswirtschaft als auch der Zentralverband des Deutschen Handwerks (ZDH) diskutieren bereits seit langem, dass die Entsorgung der Bau- und Abbruchabfälle neu, bundeseinheitlich und unter Berücksichtigung des immer knapper werdenden Deponieraums geregelt werden müsse. Hat die Bauwirtschaft vorrangig das Ziel, den Entsorgungsaufwand für die Betriebe durch Baustoff-Recycling und Wiederverwertung von Böden niedrig zu halten, so geht es neben der Ressourcenschonung aber auch um den Grundwasser- und Bodenschutz.
Einerseits stecken in den riesigen Mengen an mineralischem Bauschutt und Böden viele Möglichkeiten der Wiederverwendung, die man nicht ungenutzt lassen sollte. Andererseits möchten Umweltexperten jedwede Verschlechterung der Grundwasser- und Bodenqualität vermeiden. Durch die MantelV werden die ökologischen Qualitätsanforderungen an Ersatzbaustoffe steigen – einerseits ein Gewinn für die Umwelt, andererseits eine Einschränkung für den Einsatz der recycelten Baustoffe.
Den Schutz von Mensch, Boden und Grundwasser durch harmonisierte Maßstäbe bundeseinheitlich zu gewährleisten, war der eigentliche Ansatz des Gesetzesentwurfs für die MantelV. Es muss gelingen, bundeseinheitliche Anforderungen beim Einsatz mineralischer Ersatzbaustoffe sowie dem Auf- und Einbringen von Bodenmaterial bei Errichtung technischer Bauwerke und bei Verfüllungen zu schaffen, gibt Felix Müller, Experte für Ressourcenschonung und Kreislaufwirtschaft am Umweltbundesamt (UBA) zu bedenken: „Derzeit gibt es hierfür nur sehr allgemeine Vorgaben auf gesetzlicher Ebene, die lediglich durch nicht rechtsverbindliche, inzwischen teilweise veraltete und aus fachlicher Sicht nicht mehr dem gegenwärtigen Stand der wissenschaftlichen Erkenntnisse entsprechenden technische Regeln oder Erlasse in den Ländern konkretisiert werden.
„Eine Regelung sei überfällig und hierfür sei „der vorliegende Gesetzesentwurf der MantelV mit der Ersatzbaustoffverordnung als zentralem Element zur Güteüberwachung ein guter Kompromiss, bei dem die Belange des Bodenschutzes, des Grundwasserschutzes aber auch der Schonung der natürlichen Ressourcen durch möglichst hohe Verwertungsquoten im Sinne einer Kreislaufwirtschaft berücksichtigt würden“, so Müller weiter.
Seiner Meinung nach ist es kurzsichtig und polemisch, nun die Kritik am Gesetzespaket auf mögliche neue Deponieraumbedarfe zu verkürzen. Der Erfolg der Kreislaufwirtschaft sei nicht allein an undifferenzierten, quantitativen Verwertungsquoten für alle Bau- und Abbruchabfälle festzumachen und dürfe die Qualität des Recyclings und eine mögliche, problematische Schadstoffanreicherung und -verlagerung durch Ersatzbaustoffe nicht außer Acht lassen. Dies verlange eine politische Weichenstellung, sonst verlagerten wir eine Entsorgungsproblematik und unkalkulierbare Risiken lediglich in die Zukunft, konstatiert Müller.
In den vergangenen Monaten wurde viel darüber diskutiert, wie mineralische Bau- und Abbruchabfälle zukünftig aufbereitet und wiederverwendet werden können und wie dabei eine möglichst hohe Recyclingquote erreicht werden kann. Doch wie geht es nun weiter, wenn die neue MantelV nicht zeitnah kommt? Die Kritikpunkte müssen Stück für Stück bearbeitet werden. Weiterhin beharrt das Baugewerbe auf einer ausgewogenen Lösung, da nicht in Aussicht steht, dass künftig wieder mehr Deponien gebaut werden.
Deponieraum in sieben Jahren voll
Dass der vorhandene Deponieraum für mineralische Bau- und Abbruchabfälle schon jetzt knapp ist, liegt unter anderem daran, dass sich auf dem Bau die Tendenz, möglichst viel zu recyceln, schon in den vergangenen Jahren rückläufig entwickelt hat. Die neue MantelV könnte den Trend noch verstärken. Diese Befürchtungen hatten ZDB, ZDH, der Deutsche Abbruchverband und die Bundesgütegemeinschaft Recycling-Baustoffe nach der Bundesratsentscheidung vergangenes Jahr nochmals in einer gemeinsamen Mitteilung bekräftigt. Demnach wird der heute verfügbare Deponieraum bereits in sieben Jahren vollständig verfüllt sein. Außerdem: Bislang werden die jährlich anfallenden mineralischen Bau- und Abbruchabfälle noch zu 90 Prozent durch Recycling und Verwertung im Kreislauf gehalten. Doch dieses System steht auf der Kippe.
Das sind mineralische Bau- und Abbruchabfälle
Zu den mineralischen Bau- und Abbruchabfälle zählen:
- Boden und Steine, die beispielsweise beim Baugrubenaushub oder bei Verkehrsinfrastrukturmaßnahmen anfallen,
- Bauschutt (Beton, Ziegel, Fliesen und Keramik) Straßenaufbruch (Bituminös gebundener Asphalt, Randsteine, Pflaster, Schotter und Kies),
- Baggergut von Gewässerausbaumaßnahmen (ohne organische Anteile)
- gipshaltige Bauabfälle
Aus Gleisschotter sowie Schlacken, Aschen und Sanden aus industrieller Produktion bzw. der Hausmüllverbrennung können ebenfalls zu Ersatzbaustoffen aufbereitet werden, wobei die Ersatzbaustoffverordnung für die einzelnen Abfallarten spezifische Regelungen beinhaltet.
Grundsätzlich gilt, dass die Abfälle nicht kontaminiert sein dürfen, wenn sie in irgendeiner Form wiederverwendet werden sollen. Für eine Aufbereitung als neuer Baustoff sollten sie möglichst sortenrein getrennt werden.
Da der Deponieraum schon jetzt dramatisch verknappt ist, müssen der Bausektor und die Entsorger mit immer weiteren Transportentfernungen von bis zu 200 Kilometern und mehr rechnen. Das verursacht Kosten, einen hohen Straßenverschleiß durch LKW-Verkehr und große Umweltbelastungen. Ein weiterer Anstieg der Entsorgungskosten – eine automatische Folge der MantelV in ihrer jetzigen Form – würde laut der Warnung der Bauwirtschaft nicht nur die Modernisierung der Infrastruktur stark verteuern, sondern auch das Bemühen um bezahlbaren Wohnraum konterkarieren.
Zu den Forderungen der Verbände zählen: Die Einführung von Bauherrenpflichten zur Voruntersuchung mineralischer Bau- und Abbruchabfälle sowie ein Produktstatus für alle nach der Ersatzbaustoffverordnung geregelten Ersatzbaustoffe. Zudem seien die im europäischen Vergleich sehr strengen Schadstoff-Grenzwerte für Ersatzbaustoffe auf den Prüfstand zu stellen.
Bauschutt: Transporte bis ins Ausland
Die Erschließung einer neuen Abfalldeponie dauert im Schnitt zehn Jahre. Wenn die Kapazitäten derart knapp sind wie jetzt, lässt sich das nur langfristig lösen. So kommt es jetzt bei mineralischen Bau- und Abbruchabfällen und bei Erdaushub immer wieder dazu, dass Bauunternehmen weite Strecken fahren müssen, um eine Deponie zu finden, die den Abfall annimmt. Mitunter führen die Wege ins Ausland, da dort mehr Kapazitäten und weniger strenge Auflagen für Entsorgung von Bauschutt und Böden vorhanden sind.
Die Deponien sind mittlerweile so voll, dass der ZDB davon ausgeht, dass bald ein Bauabfall-Tourismus in Richtung Ausland entstehen wird. So würden die Niederlande, Polen und Frankreich den deutschen Bauschutt und Böden gerne annehmen. Vor allem die Niederlande wären interessiert an den mineralischen Bauabfällen, die zum Küstenschutz und zur Landgewinnung dienen können.
Gründe für den Bauabfall-Tourismus: Die hierzulande vergleichsweise strengen Vorgaben für die Recycling-Baustoffe und Böden, die nun weiter verschärft werden sollen. Zudem schrumpfen die Kapazitäten der Deponien seit Jahren – und das, obwohl es in einigen Abfallbereichen eine Entwicklung zu mehr Abfall gibt, der deponiert werden muss – wie auf den Baustellen.
Zwar hat der Gesetzgeber schon seit Jahren mit dem Kreislaufwirtschaftsgesetz vorgebeben, dass möglichst viele Rohstoffe, die auch im Bauabfall stecken, wiederverwendet werden sollen. Durch Verschärfungen der Umweltauflagen gelingt dies jedoch häufig nicht. Da es bislang – ohne die MantelV – keine bundeseinheitlichen Vorgaben für den Einsatz von Recyclingbaustoffen und Böden gibt, kommt es bereits jetzt zu einer Art Bauschutt-Tourismus innerhalb Deutschlands. Beispielsweise mangels Deponieraum in Baden-Württemberg von dort nach Bayern, wenn sich dort die nächst gelegene, geeignete Deponie befindet .
Beispiel Straßensanierung
Wer in Deutschland über eine Straße geht oder fährt, hat oftmals Recycling-Baustoffe unter den Füßen bzw. Rädern. Unter den Fahrbahndecken liegen die Reste von abgerissenen Häusern – Wände, Geschossdecken und Betonpfeiler, die aufbereitet zu Recycling-Baustoffen als Frost- und Tragschutzschichten dienen. Eigentlich muss man sagen, sollten sie liegen, denn diese Form der gezielten Wiederverwertung von Baumaterialien findet in der Praxis weit weniger statt als möglich wäre. Vor allem bereits einmal verwendetes Bodenmaterial – z. B. abgetragene Straßen- und Schienendämme oder auch Erdaushub – kommt seit einiger Zeit kaum ein zweites Mal zum Einsatz.
Deutschlandweit werden derzeit rund 550 Millionen Tonnen mineralischer Rohstoffe pro Jahr benötigt und verbaut, auf der anderen Seite fallen jährlich ca. 200 Millionen Tonnen mineralische Abfälle an. Bislang konnten bei Baumaßnahmen anfallende Böden, Bauschutt, Straßenaufbruch sowie weitere Bauabfälle zu über 90 Prozent im Stoffstromkreislauf gehalten werden. Nur knapp 17 Millionen Tonnen der knapp 200 Millionen Tonnen mineralischer Abfälle mussten beispielsweise nach Angaben der Landesvereinigung der Bauwirtschaft Baden-Württemberg im Jahr 2012 auf Deponien entsorgt werden. In den letzten Jahren sei jedoch eine besorgniserregende Trendwende insbesondere im Bereich von Böden zu verzeichnen.
Künftig könnte sich das verstärken, wenn verschärfte Grenzwerte dazu führen, dass vieles gar nicht mehr verbaut werden darf – zum Beispiel nach Sanierungen von Straßen. Denn durch den zunehmenden Autoverkehr reichern sich mehr Schadstoffe in den Böschungen und der näheren Umgebung an. Diese resultieren vor allem aus Reifenabrieb und Diesel-Abgasen, die sogenannte polyzyklisch aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs) enthalten, die als krebserregend gelten, oder in Form von Chloriden aus Streusalz. Werden diese Böden im Zuge der Baumaßnahme abgetragen, so sind sie in der Regel zu deponieren. Neuer, unbelasteter Boden wird herangeschafft, der jedoch nach einigen Jahren die gleichen Schadstoffwerte wie der vormals vorhandene Boden aufweisen dürfte.
Recyclingquote: Baugewerbe befürchtet Rückschritte
Aus Straßenaufbruch und Bauschutt gewonnene Recycling-Baustoffe werden seit langem gerne für Frost- und Tragschutzschichten oder als Verfüllmaterial im Leitungstiefbau verwendet. Im Bereich von Straßenböschungen oder bei Verfüllungen außerhalb von Fahrbahnbelägen sickert jedoch Niederschlagswasser durch die eingebauten Recycling-Baustoffe hindurch und kann im Recycling-Baustoff in geringen Mengen enthaltene Schadstoffe freisetzen. Die in der Ersatzbaustoffverordnung vorgegebenen Grenzwerte sind im europäischen Vergleich sehr streng und werden nach Einschätzung der Baubranche dafür sorgen, dass erstmals nach Jahrzehnten des erfolgreichen Baustoff-Recyclings wieder mehr Bauschutt entsorgt werden muss. Ähnlich sieht das auch bei anderen Ersatzbaustoffen z. B. aus Metallschlacken aus.
Will man die Verwertungsquote bei Böden dennoch auf hohem Niveau halten, müsste man den Autoverkehr reduzieren oder zumindest dessen Abgase – hier entsteht also ein Konflikt zwischen dem Ansatz, möglichst viel wiederverwenden zu wollen, und gleichzeitig aus der Besorgnis negativer Veränderungen von Böden oder Grundwasser für eine große Masse an Bauabfällen quasi ein Wiederverwendungsverbot auszusprechen. Ressourcenschonung und Abfallvermeidung versus Umweltschutz im Boden- und Grundwasserbereich.
Um der Problematik zu entgehen und sich nicht mit Grenzwerten und Schadstoffprüfungen auseinander setzen zu müssen, greifen viele Bauherren deshalb lieber zu Primärrohstoffen wie Natursteinschotter, Kies und Sand und lassen die Finger von Recycling-Baustoffen. Das erlebt auch das Abbruch- und Recyclingunternehmen Max Wild, das sich mit einer Stellungnahme zu der derzeitigen Praxis schon 2017 an die Landespolitik gewendet hat.
Demnach bleiben große Mengen gütegeprüften Bauschutt-Recycling-Materials einfach ungenutzt, obwohl es mit Primärrohstoffen ebenbürtig und häufig weitaus wirtschaftlicher ist. Natürliche Ressourcen könnten in der Folge besser geschont werden, wenn konsequent Recycling-Baustoffe verwendet würden.
Laut der Firma Max Wild liegt ein großes Manko derzeit darin, dass Recycling-Material in öffentlichen Ausschreibungen nicht verpflichtend als erste Wahl angegeben werden muss. Nur wenn die gesetzlichen Vorgaben entsprechend geändert werden würden, könne die Häufigkeit der Verwendung gesteigert werden. Es müsste in den Leistungsverzeichnissen der Ausschreibungen zumindest produktneutral ausgeschrieben werden. Recycling-Baustoffe sollten zukünftig Primärrohstoffe im Sinne einer nachhaltigen Kreislaufwirtschaft bei vergleichbarer Güte ersetzen.
Keine Abfallplanung: Baufirmen in der Verantwortung
Doch der Fehler liegt aus Sicht der Wirtschaft im System: Bei vielen großen Baumaßnahmen fallen riesige Mengen mineralischer Abfälle an – entweder weil Gebäude ganz oder in Teilen abgerissen oder große Mengen Bodenaushub entsorgt werden müssen. Der anfallende Bauschutt und Boden kann mit umweltgefährdenden Stoffen belastet sein, die eine Wiederverwertung erschweren oder gar verbieten können.
Eigentlich sollte man das bereits bei der Planung und in der Ausschreibung berücksichtigen sowie eine detaillierte Schadstoffuntersuchung im Vorfeld durchführen. Damit wüsste man, in welchem Umfang mineralische Bau- und Abbruchabfälle anfallen und welche davon wirklich entsorgt werden müssen oder aber als Baustoff aufbereitet werden können – beispielsweise zur Verfüllung von Tagebauten, als Bodenmaterial für technische Bauwerke oder als Tragschicht unterhalb von Asphaltdecken.
Doch genau das passiert in Deutschland nicht oder zumindest nur selten in der Praxis. Es gibt keine Vorschrift , die Auftraggeber von großen Baumaßnahmen – nicht selten sind es Bund, Länder oder Kommunen – dazu verpflichtet, bereits in der Planungsphase einen Blick auf die Verwertung des anfallenden Abfalls zu haben. Ohne gründliche Vorerkundung können Böden jedoch nur schwer weiterverwertet werden.
Eine zentrale Forderung des ZDB, die noch immer nicht in der MantelVO enthalten ist und aufgenommen werden müsste, lautet deshalb, differenzierte Schadstoffuntersuchungen im Vorfeld von Baumaßnahmen verpflichtend zu machen. Die Verantwortung dafür muss der Bauherr als Abfallerzeuger tragen und nicht – wie es derzeit der Fall ist – das ausführende Bauunternehmen. Denn das Bauunternehmen hat aufgrund von Zeitdruck oftmals gar keine Möglichkeit, Schadstoffuntersuchungen vorzunehmen bzw. deren Ergebnisse abzuwarten und Verwertungsmöglichkeiten auszukundschaften. Die Bauunternehmen müssen aber die anfallenden höheren Entsorgungskosten bezahlen.
Recycling-Baustoffe gelten als Abfall
Auch bei dem Baustoff-Recycling verschärfen sich die Probleme. Seit über 30 Jahren garantiert die Bundesgütegemeinschaft Recycling-Baustoffe qualitätsgesicherte Recycling-Baustoffe, seit vielen Jahren hat die Baubranche eine Recycling-Quote von über 90 Prozent, dennoch gelten Recycling-Baustoffe rechtlich weiterhin als Abfall. Obwohl Recycling-Baustoffe wirtschaftlicher sind, werden bei öffentlichen Aufträgen die teureren Primärbaustoffe gewählt, bei denen sämtliche Umweltprüfungen und Einbaubeschränkungen entfallen.
Eine Gleichstellung mit Primärbaustoffen, d. h. ein uneingeschränkter Produktstatus für güteüberwachte Recycling-Baustoffe und Böden ist überfällig. Auch im aktuellen Entwurf der MantelVO, die der Bundesrat abgelehnt hat, ist eine Einführung eines Produktstatus nur für die Recycling-Baustoffe der höchsten Umweltverträglichkeitsklasse enthalten. Die übrigen, weiterhin als Bauabfall geltenden Recycling-Baustoffe werden jedoch von keinem öffentlichen Auftraggeber verwendet werden und daher zu entsorgen sein.
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Die Veröffentlichung erfolgt mit freundlicher Genehmigung von www.deutsche-handwerks-zeitung.de
Der Originalbeitrag der Autorin Frau J wurde am 04.07.2018 unter Immer mehr Bauabfälle: Deponien am Limit auf www.deutsche-handwerks-zeitung.de veröffentlicht.