Dienstwagen und ein sechsstelliges Gehalt: Was eher nach Geschäftsführerposten klingt, sind in Wirklichkeit die Konditionen, die heutzutage einem Baggerführer angeboten werden. Für Stahlrecycler ist das ein Problem. Rahmenbedingungen wie diese bremsen ihr Wachstum aus.

Für Stahlrecycler ist die Stahlindustrie der bedeutendste Konjunkturindikator. Geht es ihr gut, läuft es in der Regel auch bei den Recyclern rund. Und weil die Stahlindustrie derzeit brummt, klagen auch die Stahlrecycler nicht – weder über den Schrottzulauf noch über den Schrottabsatz.  Die aktuelle Konjunktur der Stahlindustrie sei „blendend“, bestätigte Andreas Schwenter, Präsident des Stahlrecyclingverbands BDSV, bei der Jahrestagung des Verbands am vergangenen Donnerstag in Stuttgart.

Probleme gibt es aber dennoch. Es sind vor allem die Rahmenbedingungen, unter denen die Stahlrecycler agieren. Dass sie manche Abfallfraktionen nur mit Mühe in Müllverbrennungsanlagen absteuern können, zählt noch zu den kleineren Problemen. Viel gravierender sind die Logistikprobleme, wie etwa marode Straßen, fehlende Lkw-Fahrer und nicht zuletzt fehlende Bahnwaggons. Hinzu kommt seit diesem Jahr noch ein weiterer Faktor, den Stahlrecycler bei der Einschätzung der Geschäftsentwicklung künftig berücksichtigen müssen. Der Pegelstand auf Deutschlands Wasserstraßen.

„Derzeit braucht man sechs Schiffe für die Menge von einem Schiff“, erklärte Schwenter die Folgen des Niedrigwassers. Weil der Transport per Schiff in vielen Bereichen stark eingeschränkt ist, würden sich die Schrotte in vielen Firmen stapeln. „Wir brauchen hier Zwischenlösungen in Form von kurzfristigen Erhöhungen der Lagermengen“, forderte Schwenter. Wenn der Bauernverband finanzielle Hilfe wegen der Trockenheit bekommt, dann habe die Stahlrecyclingwirtschaft ebenfalls Anspruch auf Unterstützung.

„Wir brauchen die Zuwanderung“

Gravierende Auswirkungen zeigt inzwischen auch der Fachkräftemangel. Wer heute Lkw-Fahrer beschäftigt, muss ihnen offenbar attraktive Konditionen bieten, um sie zu halten. Vor allem die Baubranche werbe viele Fahrer ab. Dort würden Baggerführer von Longfront-Baggern in der Spitze ein Jahresgehalt von 140.000 Euro plus Dienstwagen beziehen, berichtete BDSV-Vizepräsident Stephan Karle. Er selbst habe in diesem Jahr zwei Fahrer an die Baubranche verloren.

Karle hat in seinem Unternehmen darauf reagiert und inzwischen die Gehälter aller Lkw-Fahrer mit Bonus-Systemen ausgestattet und im Durchschnitt um 13 Prozent erhöht. Nichtsdestotrotz müsse die Branche an ihrem Image als Arbeitgeber arbeiten, um das Personal zu halten und neues zu gewinnen. Laut einer BDSV-Umfrage sind inzwischen 74 Prozent der Mitglieder bereit, Personal auch aus Osteuropa zu akquirieren. „Sie finden fast keine Deutsche mehr, die bereit sind, im gewerblichen Bereich zu arbeiten“, sagte Karle.

„Wir brauchen die Zuwanderung im Sinne eines Zuwanderungsgesetzes“, ergänzte Schwenter. „Wir werden es anders nicht mehr schaffen.“ Logistik und Fachkräfte seien inzwischen eine größere Konjunkturbremse als die Weltkonjunktur, meint der BDSV-Präsident.

Gedämpftes Wachstum erwartet

Die schwierigen Rahmenbedingungen schlagen sich auch in den Geschäftserwartungen nieder. Im Vergleich zum Vorjahr rechnen deutlich weniger BDSV-Mitglieder mit einer Verbesserung der Geschäftslage:

  • 47 Prozent der BDSV-Mitglieder erwarten für 2019 eine bessere Geschäftslage für 2019. Weitere 7 Prozent rechnen mit einer gleichbleibenden Geschäftslage. Die übrigen 46 Prozent glauben, dass 2019 schlechter werden wird. Im Vorjahr waren es noch 87 Prozent, die mit einer Verbesserung der Geschäftslage rechneten.
  • Als Haupteinflussfaktoren für die aktuellen Entwicklungen nennen die BDSV-Mitglieder die zunehmende Bürokratisierung, den Fachkräftemangel und hohe Umweltauflagen.
  • Inzwischen berichten 82 Prozent der BDSV-Mitglieder über Probleme, geeignetes Personal zu finden.
  • Die Investitionsbereitschaft ist dennoch hoch. 58 Prozent der Mitglieder planen mit einem gleichbleibenden Investitionsniveau, weitere 22 Prozent mit einem steigenden Niveau. Nur 20 Prozent der Unternehmen wollen weniger investieren als im Vorjahr.

Eigenes BDSV-Portal?

Was die Stahlrecycler derzeit am wenigsten kümmert, sind die Themen Konkurrenz durch Kommunalbetriebe und Online-Handelsplattformen. Gleichwohl sind die Online-Plattformen ein Thema bei der BDSV. Der Verband werde sich mit dem Thema auseinandersetzen, kündigte Karle an. Dabei werde es auch um die Frage gehen, ob die BDSV ihren Mitgliedern ein solches Online-Portal zur Verfügung stellen soll.

Noch scheint die Branche aber nicht reif für ein solches Portal zu sein. „Heute erleben wir im Geschäft, dass die Entfallstellen einerseits und die Werke andererseits dafür noch nicht bereit sind“, sagte Karle. Dennoch werde sich der Verband mit dem Thema beschäftigen. Aus Karles Sicht muss daraus nicht zwangsläufig eine Konkurrenz für die privaten Anbieter erwachsen. Das Thema Digitalisierung sei so groß, dass es vielmehr umfasse, als nur den Online-Handel, sagte er. Für den Verband werde es nicht nur um das Thema Online-Handel gehen, sondern auch um die Bereiche Dienstleistungen für Kunden sowie Kommunikation.

Quelle: 320° Deutschlands Online-Magazin für die Recyclingwirtschaft