Auch wenn die Mengen noch so klein sind: Kein Recycler kann ausschließen, dass einzelne Asbestfasern im Recycling-Gips gefunden werden können. Das Risiko ist groß, dass Gipshersteller auf Recycling-Gips verzichten werden – wie in einem Fall bereits geschehen.

Am Beispiel Asbest wird deutlich, wie lange Schadstoffe im Verkehr bleiben, auch wenn sie längst verboten sind. Seit 1993 ist die Verwendung von Asbest untersagt und dennoch können insbesondere Recycling-Baustoffe, die beim Rückbau von älteren Gebäuden gewonnen werden, Asbestfasern enthalten. Wie groß der Anteil solcher asbesthaltiger Bauschuttabfälle ist, ist nur schwer zu beziffern. Pro Jahr fallen in Deutschland knapp 59 Millionen Tonnen Bauschutt an, es könnten also durchaus beträchtliche Mengen sein.

Für die Recyclingwirtschaft steht einiges auf dem Spiel: Denn die Gipsindustrie wird im Zweifelsfall das Risiko nicht eingehen, dass in ihren Produkten Asbest gefunden wird. Ein Unternehmen habe bereits beschlossen, die Abnahme von Recycling-Gips vorerst auszusetzen, erklärte Jörg Demmich, Vorsitzender des Rohstoff- und Umweltausschusses beim Bundesverband der Gipsindustrie (BV Gips) Mitte Mai bei der Berliner Konferenz „Mineralische Nebenprodukte & Abfälle“.

Abgesehen vom Imageverlust muss die Gipsindustrie auch die Rechtsauffassung des Bundesumweltministeriums (BMU) berücksichtigen. Das Ministerium stützt sich laut Demmich auf die REACH-Verordnung, wonach die Regelungen in der Verordnung so zu verstehen seien, dass Recycling-Gips, der Asbestfasern enthalte, nicht verwendet werden dürfe.

Diese Auffassung finde sich im Grundsatz auch in der LAGA-Mitteilung 23 „Vollzugshilfe zur Entsorgung asbesthaltiger Abfälle“, erklärte der Verbandsvertreter. Demnach dürften asbesthaltige Abfälle nicht in Sortier- und Behandlungsanlagen gelangen, auch wenn der Anteil der Asbestfasern unter 0,1 Massenprozent liegt. „Diese Sichtweise entspricht dem sogenannten Null-Faser-Konzept“, erklärte Demmich. Doch null Asbestfasern kann die Recyclingwirtschaft nicht garantieren. Vor allem bezüglich Gipsplatten mit Anhaftungen von asbesthaltigen Spachtelmassen sei die Festlegung nicht einhaltbar.

Was Vertreter der Recyclingwirtschaft deshalb fordern, ist ein einheitlicher Asbest-Grenzwert, der nicht nur bundesweit, sondern auch rechtsgebietsübergreifend gültig sein müsste, also im Abfallrecht, Gefahrstoffrecht, Chemikalienrecht sowie im Arbeitssicherheitsrecht gleichermaßen verankert sein müsste. Bei Unterschreitung eines solchen Grenzwertes wäre dann von einer „Asbestfreiheit“ auszugehen, erklärte Demmich in Berlin.

Von der Festlegung eines einheitlichen Asbestgrenzwertes hängt seiner Meinung nach viel ab. Gelinge es nicht, einen Grenzwert festzulegen, stehe die Verwertung und das Recycling der knapp 60 Millionen Tonnen Bauschuttabfälle in Frage. Außerdem sei dann davon auszugehen, dass die geforderte Verwertungsquote für Bau- und Abbruchabfälle von 70 Prozent im Jahr 2020 „massiv unterschritten“ werde.

Steigendes Aufkommen an Gipsabfällen

Bisher fallen in Deutschland pro Jahr rund 600.000 Tonnen Bauabfälle auf Gipsbasis an. Nach Schätzungen des BV Gips können etwa 50 Prozent, also rund 300.000 Tonnen recycelt werden. Dafür gibt es in Deutschland vier Gips-Recyclinganlagen. Im Jahr 2016 setzte die Gipsindustrie rund 140.000 Tonnen als Recycling-Gips ein.

In Zukunft dürfte der Bedarf an Recycling-Gips weiter steigen, denn im Zuge des beschlossenen Ausstiegs aus der Kohleverstromung wird die Produktion von REA-Gips massiv zurückgehen. REA-Gips ist bislang der wichtigste Rohstoff für die Gipsindustrie – im Jahr 2016 waren es 3,4 Millionen Tonnen, rund die Hälfte des gesamten Rohstoffbedarfs.

Zwar wird Recycling-Gips die Lücke, die REA-Gips reißt, höchstens ansatzweise schließen können. Aber immerhin: Der BV Gips geht davon aus, dass im Jahr 2023 rund eine Million Tonnen Gipsabfälle anfallen werden. Wenn weiterhin 50 Prozent recycelbar sind, bleibt eine verfügbare Menge von rund 500.000 Tonnen pro Jahr.

Quelle: 320° Deutschlands Online-Magazin für die Recyclingwirtschaft