Die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes hat im Bundeskabinett die erste Hürde genommen. Die Reaktionen auf den Entwurf fallen gemischt aus. Es gibt etliche Verbesserungsvorschläge.

Das Bundeskabinett hat am Mittwoch einen Entwurf zur Änderung des Kreislaufwirtschaftsgesetzes beschlossen. In dem Entwurf wird unter anderem geregelt, dass die Recyclingquoten für bestimmte Abfallarten angehoben und neu berechnet werden sowie die Deponierung von Abfällen weiter reduziert wird. Ferner werden die Getrenntsammlungspflichten für Abfälle zur Verwertung/Recycling verschärft und ausgedehnt.

Unter anderem finden sich im Novellierungsentwurf die neuen Quoten aus der geänderten Abfallrahmenrichtlinie. Demnach müssen Siedlungsabfälle

  • ab 1. Januar 2020 zu mindestens 50 Gewichtsprozent,
  • ab 1. Januar 2025 zu mindestens 55 Gewichtsprozent,
  • ab 1. Januar 2030 zu mindestens 60 Gewichtsprozent und
  • spätestens ab dem 1. Januar 2035 zu mindestens 65 Gewichtsprozent recycelt werden.

Außerdem darf die Ablagerung von Siedlungsabfällen auf Deponien spätestens ab dem 1. Januar 2035 höchstens 10 Gewichtsprozent des gesamten Siedlungsabfallaufkommens betragen.

Bezüglich der Trennpflichten der öffentlich-rechtlichen Entsorgungsträger (örE) wird geregelt, dass die örE verpflichtet sind, folgende Abfälle aus privaten Haushaltungen zu sammeln:

  • Bioabfälle
  • Kunststoff-, Metall- und Papierabfälle
  • Sperrmüll
  • Textilabfälle (ab 2025)
  • gefährliche Abfälle (ab 2025)

Darüber hinaus zielt der Gesetzentwurf darauf ab, einen größeren Markt für Recycling-Materialien zu schaffen. Künftig sollen die 6.000 Beschaffungsstellen in Bundesbehörden sowie bundeseigenen und vom Bund beherrschten Unternehmen Produkte aus Recycling gegenüber Neuanfertigungen bevorzugen. Auf Grundlage des neuen Gesetzes müssen sie – sofern keine unzumutbaren Mehrkosten entstehen – beim Einkauf Produkte bevorzugen, die rohstoffschonend, abfallarm, reparierbar, schadstoffarm und recyclingfähig sind. Auch eine gute Reparierbarkeit soll für Anschaffungen ein Vorzugs-Kriterium sein, solange keine übermäßigen Mehrkosten dabei entstehen.

„Das ist keine Kreislaufwirtschaft“
Aus Sicht der Naturschutzbundes (NABU) gehen die Regelungen nicht weit genug. „Wir begrüßen, dass die Bundesregierung stärkere Akzente bei Abfallvermeidung, Produktverantwortung und öffentlicher Beschaffung recycelter Produkte setzen will. Der vorliegende Novellenentwurf greift aber deutlich zu kurz. Wir brauchen verbindliche Abfallvermeidungsziele. Die Bundesregierung muss eine globale Vorreiterrolle einnehmen, statt nur das umzusetzen, was von der EU ohnehin vorgegeben wird.“

Unverständnis äußert der NABU auch mit Blick auf die Recyclingquoten. „Es kann nicht sein, dass das Gesetz erlaubt, 2035 noch über ein Drittel unserer Abfälle zu verbrennen und zu deponieren. Das ist keine Kreislaufwirtschaft. Kreislauffähige Produkte bekommen wir nur durch Herstellerverantwortung. Dafür brauchen wir ein Gesetz, das Unternehmen zwingt, recyclingfreundlich zu produzieren. Hersteller müssen außerdem verpflichtet werden, Recyclingmaterial bei der Produktion einzusetzen“, so NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller.

„Schritt nach vorne“
Kritisch äußert sich auch die Deutsche Umwelthilfe. Die Recyclingquote für Siedlungsabfälle von 65 Prozent bis 2035 sei viel zu niedrig angesetzt. Um das stoffliche Potenzial von Siedlungsabfällen besser zu nutzen, sei eine Erhöhung der Recyclingquote für Siedlungsabfälle auf 65 Prozent bis 2025 und 85 Prozent bis 2030 notwendig.

Nötig ist aus Sicht der DUH auch die Festlegung von Mindesteinsatzquoten, um den Einsatz von Recyclingmaterial voranzubringen. Diese fehlten jedoch im Entwurf. Die DUH empfiehlt ein gestuftes Vorgehen: 20 Prozent Mindesteinsatzquote bis 2020, 30 Prozent bis 2023 und 40 Prozent bis 2025. Die Quote sollte sich dabei immer auf Post-Consumer-Rezyklate beziehen.

Bei der umweltfreundlichen öffentlichen Beschaffung wurde nach Auffassung der DUH ein Schritt nach vorne gemacht. Statt „Prüfungspflicht“ wird im Kreislaufwirtschaftsgesetz nun eine „Pflicht zur Bevorzugung“ ökologisch vorteilhafter Produkte vorgegeben. Allerdings reiche dies nicht aus, da durch undefinierte Rechtsbegriffe wie der Vermeidung „unzumutbarer Mehrkosten“ Interpretationsspielräume geschaffen würden, die eine wirkliche Verpflichtung zum Einkauf ökologisch vorteilhafter Produkte in der Praxis verhinderten. Nötig seien vielmehr beispielhafte Ausschreibungskriterien und der Aufbau einer Produktdatenbank mit ökologisch vorteilhaften Produkten.

Obhutspflicht für Waren
Zu den weiteren geplanten Änderungen, die der Entwurf vorsieht, zählt auch eine Pflicht für Händler, Waren benutzbar zu halten. Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) will damit verhindern, dass Waren, die eigentlich noch hochwertig sind, vernichtet werden, etwa um Platz in den Regalen zu schaffen – oder weil das Wegwerfen günstiger ist, als zurückgesandte Artikel wieder neu anzubieten. Das Ausmaß der sogenannten Retouren-Vernichtung ist im Detail nicht bekannt. Deswegen will Schulze Händler verpflichten offenzulegen, ob sie Waren vernichten und wie viele.

Wesentliche Details müssen aber noch über Verordnungen geklärt werden. Unklar ist beispielsweise, auf welche Waren sich die Regelung bezieht und welche Händler davon betroffen sind. Grundsätzlich sollen Produkte nur noch als Müll entsorgt werden, wenn sie verdorben, kaputt oder gefährlich sind – oder es wirtschaftlich nicht anders machbar ist. Auch dafür stehen die Maßstäbe im Detail noch nicht fest.

Aus Sicht des Handelsverbands HDE ist die geplante „Obhutspflicht“ für Waren überflüssig: „Der Handel setzt schon heute aus Kostengründen alles daran, die Zahl der Rücksendungen von Waren durch die Kunden so gering wie möglich zu halten“, sagt Hauptgeschäftsführer Stefan Genth. Nur in Ausnahmefällen werde zurückgegebene Ware vernichtet, die stark verschmutzt oder beschädigt sei.

Neue Berechnungsmethode für Quoten
Unklar ist außerdem, wie die geplante Beteiligung der Hersteller an den kommunalen Reinigungskosten organisiert werden soll und wie hoch der Beitrag sein wird. Der Verband kommunaler Unternehmen VKU lässt derzeit prüfen, wie viele Becher, Kippen und sonstige Einweg-Verpackungen in einem Jahr den Boden im öffentlichen Raum verschmutzen oder die Mülleimer überquellen lassen.

Ziel der geplanten finanziellen Beteiligung ist, die Hersteller dazu zu bringen, auf Mehrweg-Verpackungen zu setzen. Der VKU wünschte sich zum Kabinettsbeschluss, die sogenannte Herstellerverantwortung breit zu fassen. „Wir würden uns wünschen, dass der Gesetzgeber hier grundsätzlich alle litteringintensiven Produkte in die Herstellerverantwortung einbezieht und nicht nur ganz bestimmte Einwegkunststoff-Produkte, wie es die Kunststoffrichtlinie vorgibt“, sagt VKU-Vizepräsident Patrick Hasenkamp. „Warum wird die Chance nicht genutzt, auch andere Produkte mit einem hohen Reinigungsaufwand, wie z. B. Kaugummis, mit einer Herstellerverantwortung zu belegen? Der Gesetzgeber sollte sich diese Handlungsoption jedenfalls nicht verbauen.“

Der Entwurf sieht ferner eine Änderung bezüglich der Berechnungsmethode für Recyclingquoten vor – was der VKU begrüßt. „Seit Jahren werden europaweit Recyclingquoten schöngerechnet. Die Methode: Nicht das, was als Sekundärrohstoff aus einer Recyclinganlage rauskommt, fließt in die Quote mit ein, sondern das, was in die Anlage hineingegeben wird, inklusive nicht recycelbarer Fremdstoffe. Die Folge: Die ausgewiesenen Quoten sind höher als die tatsächlich recycelten Mengen. Damit soll nun Schluss sein.“

Sorge um kommunale Sammlung
Da die „neuen“ Quoten folglich erst einmal niedriger ausfallen werden als bisher, sei es umso wichtiger, die kommunale Getrennterfassung zu stärken, so der VKU. Als „hoch problematisch“ bezeichnet er daher die erweiterte Zulassung von freiwilligen Rücknahmen von Produktabfällen durch Hersteller und Vertreiber. Hersteller sollen in Zukunft Abfälle aus eigenen Produkten sowie auch aus Fremdprodukten annehmen können.

„Naturgemäß werden Hersteller und Vertreiber nur solche Produktabfälle zurücknehmen, mit denen sich Geld verdienen lässt, wie z. B. Alttextilien oder Metallabfälle“, erklärt Hasenkamp. „Für die Kommunen bleiben dann im schlimmsten Fall nur noch Rest- und Sonderabfälle übrig. Die Politik muss die Frage beantworten, wie in Deutschland ein gut ausgebautes Netz von Wertstoffhöfen funktionsfähig erhalten werden soll, wenn sich zugleich jede Supermarktfiliale zum Wertstoffentsorger erklären kann.“ Nach Überzeugung des VKU könnten freiwillige Rücknahmen von herstellerfremden Produktabfällen nur dann zugelassen werden, wenn damit ein nachgewiesener Vorteil für die Kreislaufwirtschaft verbunden ist.

Sorge bereitet dem VKU auch, dass öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger nicht gegen gewerbliche Sammler von Haushaltsabfällen klagen dürfen, wenn die gewerbliche Sammlung der kommunalen Sammlung Wertstoffe entzieht und so die kommunale Entsorgung beeinträchtigt. Hasenkamp: „Eine Klagebefugnis der Kommunen ist dringend erforderlich, um gleiche Bedingungen herzustellen. Da sich gewerbliche Sammler gegen behördliche Verfügungen gerichtlich wehren können, muss auch der öffentlich-rechtliche Entsorgungsträger klagen können, wenn die Behörde eine angezeigte gewerbliche Sammlung einfach durchwinkt.“

Der Entwurf für die Novelle des Kreislaufwirtschaftsgesetzes geht nun in die parlamentarische Abstimmung. Mit dem Zustimmungsgesetz werden sich sowohl Bundestag als auch Bundesrat befassen. Die enthaltenen Vorgaben aus dem EU-Kreislaufwirtschaftspaket müssen bis 5. Juli 2020 in nationales Recht umgesetzt werden

Quelle: © 320° | Deutschlands Online-Magazin für die Recyclingwirtschaft