Gleicher Lohn am gleichen Ort für die gleiche Arbeit – die reformierte EU-Entsenderichtlinie verspricht faire Entlohnung für entsandte Arbeitnehmer und weniger Wettbewerbsverzerrungen innerhalb Europas.
Schon vor Inkrafttreten am 30. Juli 2020 scheint jedoch klar, dass dies nicht vollends gelingen kann.

Auf deutschen Baustellen geht es oftmals international zu. Allein aus dem EU-Ausland wurden 2019 mehr als 86.000 Bauarbeiter nach Deutschland entsandt, die meisten davon aus Polen. Knapp jeder zehnte Arbeitnehmer im Baugewerbe arbeitet somit für einen Arbeitgeber mit Sitz im EU-Ausland. In keinem anderen Wirtschaftsbereich sind es mehr.

Möglich macht es die innereuropäische Dienstleistungsfreiheit, nach der es jedem Betrieb aus einem EU-Staat erlaubt ist, Aufträge in anderen EU-Land anzunehmen und auszuführen. Durch das unterschiedliche Lohnniveau in den einzelnen Ländern kommt es dabei jedoch regelmäßig zu Wettbewerbsverzerrungen. Vor allem osteuropäische Betriebe können ihre Leistungen aufgrund niedriger Personalkosten meist deutlich günstiger anbieten als deutsche Firmen. Die reformierte EU-Entsenderichtlinie soll das jetzt ändern.

Sie sieht vor, dass ab dem 30. Juli 2020 für entsandte Arbeitnehmer europaweit die gleichen Lohn- und Arbeitsbedingungen gelten wie für Beschäftigte im Gastgeberland. Schickt ein Betrieb aus dem EU-Ausland seinen Mitarbeiter nach Deutschland, muss er sich demnach an dieselben Vergütungsregeln halten wie ein deutscher Betrieb – umgekehrt gilt dasselbe.

EU-Entsenderichtlinie: Was sich konkret ändert

Bislang müssen ausländische Arbeitgeber im Baugewerbe lediglich die allgemeinverbindlichen Mindestlöhne 1 und 2 sowie Urlaubskassenbeiträge bezahlen. Künftig gelten für sie – wie für deutsche Baubetriebe – die Regelungen des „Tarifvertrages zur Regelung von Mindestlöhnen im Baugewerbe“ sowie die Entlohnungsbestandteile des „Bundesrahmentarifvertrages für das Baugewerbe“ (BRTV). Das schließt neben der Grundvergütung auch Ansprüche auf Urlaubs-, Weihnachtsgeld sowie Schmutz- und Gefahrenzulagen mit ein. Auch Überstundenzusätze müssen den entsandten Arbeitnehmern bezahlt werden. Gleichzeitig dürfen Kosten, die bei einer Entsendung anfallen, etwa der Transport zum Arbeitsort oder die Kosten für die Unterbringung, nicht mehr vom Lohn abgezogen werden.

Stellt oder vermittelt der Entsendebetrieb seinen Mitarbeitern die Unterkunft, greifen künftig zudem die Vorgaben der deutschen Arbeitsstättenverordnung. Auf diese Weise soll verhindert werden, dass die Arbeitnehmer unter unwürdigen Bedingungen untergebracht werden. Auch die Einschaltung eines Zwischenvermittlers befreit die Arbeitgeber nicht von dieser Verpflichtung.

Ebenso neu: Wird ein Arbeitnehmer länger als zwölf Monate entsandt, gelten nach Ablauf dieser Zeit alle im deutschen Arbeitsrecht vorgeschriebenen Bedingungen, wobei die Regelungen zur betrieblichen Altersversorgung ausgenommen sind. In begründeten Ausnahmefällen können Arbeitgeber diese Frist beim Zoll um sechs Monate verlängern.

Anders als bisher gelten die neuen Regeln nicht mehr allein für die Bauwirtschaft, sondern greifen in allen Branchen mit deutschlandweit geltenden allgemeinver­bindlichen Tarifverträgen. Eine Ausnahme bilden lediglich Fernfahrer, für die gesondert festgelegte Regelungen im Rahmen der Entsenderichtlinie gelten sollen.

Damit sich Arbeitgeber eine Übersicht über die in den einzelnen Mitgliedsstaaten geltenden Arbeitsbedingungen verschaffen können, will die Europäische Arbeitsbehörde als zentrale Informationsstelle die Informationsangebote der Mitgliedstaaten bündeln.