Schulen und Kindergärten werden aufgrund des Coronavirus in den Bundesländern geschlossen – und berufstätige Eltern und ihre Arbeitgeber haben ein Problem. Dürfen sie zu Hause bleiben? Und bekommen sie dann weiter ihr Gehalt?

Bayern und das Saarland machten den Anfang, immer mehr Bundesländer ziehen nach: Im ganzen Land schließen Schulen und Kindergärten, um die Coronavirus-Epidemie einzudämmen. Doch dadurch stehen berufstätige Eltern von einem auf den anderen Tag ohne Kinderbetreuung da. Denn eine Notbetreuung soll es nur dann geben, wenn beide Elternteile in systemrelevanten Berufen tätig sind, also etwa als Arzt, Kranken- oder Altenpfleger. Alle anderen müssen in Zusammenarbeit mit ihrem Arbeitgeber individuelle Lösungen finden.

Das Problem ist allgegenwärtig: Laut Daten der Bundesagentur für Arbeit (BA) gibt es bundesweit 2,7 Millionen Minderjährige unter 18 Jahren, bei denen beide Elternteile Vollzeit arbeiten. 5,2 Millionen Kinder wachsen bei Eltern auf, bei denen ein Elternteil Vollzeit und ein Elternteil Teilzeit arbeitet. 700.000 Kinder wachsen bei Alleinerziehenden auf, die Vollzeit arbeiten, darunter 530.000 Mütter. Und 824.000 Kinder leben bei Alleinerziehenden, die Teilzeit arbeiten, darunter 800.000 Mütter. Die klassischerweise in vielen Familien praktizierte Lösung, dass im Notfall die Großeltern einspringen, ist diesmal ausgeschlossen, betont Susanne Ferschl, stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Linken im Bundestag. „Ältere Menschen gehören schließlich zur hauptsächlich bedrohten und daher besonders schutzbedürftigen Bevölkerungsgruppe.“ Ferschl fordert deshalb von der Bundesregierung eine schnelle, unbürokratische Lösung für Familien. Vorbild könne die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall sein – eine bis zu sechswöchige Freistellung bei vollem Lohnausgleich, für die den Unternehmen entstehenden Kosten müsste es dann wiederum einen finanziellen Ausgleich von staatlicher Seite geben.

Gibt es Anspruch auf bezahlte Freistellung?

Doch solange eine solche Regelung nicht existiert, müssen die vorhandenen rechtlichen Regelungen angewendet werden. Laut Till Bender vom Deutschen Gewerkschaftsbund hängt die rechtliche Situation aber oft von der Ausgestaltung im Einzelfall ab. Er rät Eltern, die Situation mit dem Arbeitgeber zu besprechen und eine einvernehmliche Lösung zu suchen.

Klar ist: Solange keine andere Betreuungsmöglichkeit besteht, ist Arbeitnehmern und Arbeitnehmerinnen die Arbeitsleistung unmöglich. „Das bedeutet, dass sie nicht zur Arbeit kommen müssen“, erklärt Nathalie Oberthür, Fachanwältin für Arbeitsrecht aus Köln. Ob sie weiter ihr Gehalt bekommen, hängt davon ab, ob wirklich keine andere Betreuung möglich ist. Der Rechtsschutz des Deutschen Gewerkschaftsbunds (DGB) verweist darauf, dass bei einer kurzfristigen Schließung von Kitas eine unverschuldete persönliche Verhinderung im Sinne von Paragraf 616 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) vorliegen kann. Wer also keine Möglichkeit hat, sein Kind anderweitig unterzubringen, hat dann für einen kurzen Zeitraum von wenigen Tagen Anspruch auf bezahlte Freistellung. Allerdings sei immer zu prüfen, ob das nicht durch Tarif- oder Arbeitsvertrag ausgeschlossen wurde.

Muss der Arbeitnehmer Urlaub nehmen?

Bleiben Schulen oder Kitas aber länger geschlossen, besteht aus rechtlicher Sicht kein Anspruch auf bezahlte Freistellung mehr, erklärt Rechtsexpertin Oberthür. „Eltern, die ihre Kinder betreuen müssen, müssen dann zwar nicht zur Arbeit kommen, haben aber auch keinen Gehaltsanspruch.“ Arbeitnehmer können dann versuchen, kurzfristig Urlaub zu nehmen – bezahlt oder im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber auch unbezahlt.

Anders ist die Lage bei einer von den zuständigen Behörden angeordneten Quarantäne: Dann muss der Arbeitnehmer nach den Maßgaben des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) weiterbezahlt werden, maximal für sechs Wochen. „Die entsprechenden Beträge werden dem Arbeitgeber auf Antrag, der innerhalb von drei Monaten nach Ende der Absonderung zu stellen ist, von der zuständigen Behörde erstattet“, sagt Björn Otto, Fachanwalt für Arbeitsrecht und Partner in der Wirtschaftskanzlei CMS. „Der Arbeitgeber kann verlangen, dass ihm von der zuständigen Behörde ein Vorschuss in der voraussichtlichen Höhe des Erstattungsbeitrags gewährt wird.“

Wann ist Homeoffice möglich?

Sollte es im Einzelfall möglich sei, kann sich möglicherweise auch ein Anspruch auf die Arbeit im Homeoffice ergeben, so Oberthür. Das könne gelten, wenn keine andere Betreuungsmöglichkeit besteht und betriebliche Interessen nicht dagegensprechen. Der Arbeitgeber habe bei der Zuweisung des Arbeitsortes billiges Ermessen zu wahren und auch die Interessen des Arbeitnehmers zu berücksichtigen. Im Handwerk dürften Homeoffice-Tätigkeiten allerdings nur in wenigen Bereichen möglich sein, etwa in der Buchhaltung. Außerdem sind Homeoffice-Regelungen auch nicht problemlos möglich. Den Arbeitgeber treffen weiterhin die normalen Arbeitgeberpflichten, etwa die Einhaltung der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes und der datenschutzrechtlichen Bestimmungen. „Dem Arbeitgeber sollte ein Zutrittsrecht zur Wohnung des Arbeitnehmers eingeräumt werden, damit er weiterhin seinen arbeitsschutzrechtlichen Kontrollpflichten nachkommen kann“, sagt Otto.

Betriebsferien oder Kurzarbeit?

Sollte das Problem der fehlenden Kinderbetreuung viele Arbeitnehmer zugleich betreffen und brechen dem Betrieb angesichts der aktuellen Lage ohnehin die Aufträge weg, kann ein Arbeitgeber natürlich auch erwägen, den Betrieb vorübergehend zu schließen und die Belegschaft einseitig freizustellen. „Dann bleibt er aber zur Fortzahlung des Entgelts verpflichtet“, gibt Fachanwalt Otto zu bedenken. „Sinnvoller ist hier die einvernehmliche Festlegung von Urlaub etwa in Form von Betriebsferien. In Betrieben mit Betriebsrat lässt sich dies allerdings nur mit Zustimmung der Arbeitnehmervertreter auf der Grundlage einer Betriebsvereinbarung umsetzen.“ Sinnvoller erscheint daher die Vereinbarung von Kurzarbeit, für die Bundestag und Bundesrat gerade erst im Schnellverfahren die Voraussetzungen gelockert haben. In vielen Branchen dürfte es schon bald dazu kommen. Und dann entspannt sich zumindest die Situation für Eltern.