Der Rechtsrahmen für die öffentliche Auftragsvergabe soll auf Grundlage des gemeinschaftsweiten EU-Vergaberechts umfassend reformiert, modernisiert, vereinfacht und anwendungsfreundlicher gestaltet werden. Öffentliche Auftraggeber und Unternehmen sollen zukünftig mehr Flexibilität bei der Vergabe öffentlicher Aufträge haben

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie hat Ende April 2015 die Ressortabstimmung zum Referentenentwurf eines Gesetzes zur Reform des Vergaberechts eingeleitet. Gleichzeitig werden Länder, kommunale Spitzenverbände, Fachkreise und Verbände nach § 47 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesregierung (GGO) beteiligt. Grundlage des Referentenentwurfs sind die Eckpunkte zur Reform des Vergaberechts, die die Bundesregierung am 7. Januar 2015 beschlossen hatte.

Die Reform dient der Umsetzung der drei neuen EU-Vergaberichtlinien. Der Europäische Gesetzgeber hat mit dem Paket zur Modernisierung des europäischen Vergaberechts ein vollständig überarbeitetes Regelwerk für die Vergabe öffentlicher Aufträge und Konzessionen vorgelegt. Das Modernisierungspaket umfasst die Richtlinie über die öffentliche Auftragsvergabe (Richtlinie 2014/24/EU), die Richtlinie über die Vergabe von Aufträgen in den Bereichen Wasser-, Energie- und Verkehrsversorgung sowie der Postdienste (Richtlinie 2014/25/EU) und die Richtlinie über die Vergabe von Konzessionen (Richtlinie 2014/23/EU). Diese Richtlinien sind bis zum 18. April 2016 in deutsches Recht umzusetzen.

Die Vergaberechtsmodernisierung ist das größte vergaberechtliche Gesetzgebungsverfahren der letzten 10 Jahre. Unmittelbar betroffen sind Vergaben oberhalb der EU-Schwellenwerte. Der Referentenentwurf ist der erste Schritt in einem zweistufigen Verfahren der Gesetz- und Verordnungsgebung. Im Zentrum steht die Novellierung des Teils 4 des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB).

Durch die Reform soll der Rechtsrahmen für die öffentliche Auftragsvergabe in Deutschland umfassend reformiert, modernisiert, vereinfacht und anwendungsfreundlicher gestaltet werden. Öffentliche Auftraggeber und Unternehmen sollen zukünftig mehr Flexibilität bei der Vergabe öffentlicher Aufträge haben. Der überarbeitete vierte Teil des GWB umfasst künftig die wesentlichen Vorgaben zur Vergabe von öffentlichen Aufträgen und von Konzessionen. Um die praktische Anwendung des Gesetzes zu erleichtern, wird der Ablauf des Vergabeverfahrens von der Leistungsbeschreibung über die Prüfung von Ausschlussgründen, die Eignungsprüfung, den Zuschlag bis hin zu den Bedingungen für die Ausführung des Auftrags erstmals im Gesetz vorgezeichnet. Die Möglichkeiten für öffentliche Auftraggeber, strategische Ziele – z. B. umweltbezogene, soziale oder innovative Aspekte – im Rahmen von Vergabeverfahren vorzugeben, werden ausgeweitet. Soziale Dienstleistungen, wie zum Beispiel zur Integration arbeitssuchender Menschen, sollen in einem erleichterten Verfahren vergeben werden können. Die stärkere Nutzung elektronischer Mittel soll für effizientere Vergabeverfahren sorgen. Der Referentenwurf verpflichtet Unternehmen, die öffentliche Aufträge ausführen, dabei die geltenden sozial- und arbeitsrechtlichen Verpflichtungen einzuhalten. Dies gilt insbesondere für die Regelungen in allgemeinverbindlich erklärten Tarifverträgen und den gesetzlichen Mindestlohn. Kommunale Freiräume, etwa bei der Vergabe an kommunale Unternehmen oder bei der Zusammenarbeit mit anderen Kommunen, werden erstmals im Gesetz ausdrücklich geregelt.

Das Gesetzgebungsverfahren in Bundesrat und Bundestag soll im Herbst 2015 beginnen.

Entwurf zur Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE)

Die Einheitliche Europäische Eigenerklärung (EEE) soll künftig die Eignungsprüfung bei der Vergabe öffentlicher Aufträge (im Oberschwellenbereich) durch eine einheitliche Eigenerklärung vorstrukturieren. Sie wird durch Art. 59 der Richtlinie 2014/24/EU eingeführt. Die EU-Kommission hat den Mitgliedstaaten einen Entwurf für eine Durchführungsverordnung zur Einführung der Einheitlichen Europäischen Eigenerklärung (EEE) übermittelt. Dieser Entwurf wurde zuletzt im Mai 2015 überarbeitet und befindet sich in der Abstimmung mit den EU-Mitgliedstaaten. Er liegt gegenwärtig nur in englischer Sprache vor.

Der EEE-Entwurf sieht nach seiner Überarbeitung durch die EU-Kommission im Mai 2015 folgendes Konzept vor: In Teil I (Part I) des Formulars hat der öffentliche Auftraggeber in kleinem Umfang Informationen zu seiner Identität und zum Vergabeverfahren einzutragen. Teile II bis VI (Parts II to VI) sind vom Unternehmen auszufüllen, das sich um die Teilnahme an einem Vergabeverfahren bewerben oder ein Angebot abgeben möchte. Neben Angaben zur Identität des Bieters bzw. Bewerbers und seiner rechtlichen Vertreter (Teil II) wird das Unternehmen aufgefordert, Erklärungen zum Nicht-Vorliegen von Ausschlussgründen (Teil III), zur Erfüllung der vom Auftraggeber vorgegebenen Eignungskriterien (Teil IV) und ggf. zur Erfüllung von Kriterien zur Reduzierung der Anzahl der Teilnehmer bei sog. zweistufigen Vergabeverfahren (Teil V) abzugeben und diese z. T. mit konkreten Angaben (z. B. zum Jahresumsatz oder zur Anzahl der Beschäftigen) zu konkretisieren.

Zu den konkreten Eignungskriterien (Teil IV) müssen vom Unternehmen nur dann Eintragungen vorgenommen werden, wenn dies in den Vergabeunterlagen oder der Auftragsbekanntmachung durch den Auftraggeber unmittelbar gefordert wurde.

Hinweis zum Verfahren: Der EEE-Entwurf wird nach dem sog. Prüfverfahren i.S.d. des Art. 5 der EU-Verordnung Nr. 182/2011 erlassen. Im Rahmen dieses Prüfverfahrens können die Mitgliedstaaten mit qualifizierter Mehrheit den Entwurf der EU-Kommission ablehnen oder Änderungen hierzu vorschlagen. Kommt eine qualifizierte Mehrheit nicht zustande, kann die EU-Kommission ihren Entwurf auch bei negativem Votum einzelner Mitgliedstaaten erlassen.

Den Verordnungsentwurf der EU-Kommission finden Sie hier:

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